Bei FragDenStaat war in den letzten Monaten einiges los. Wir haben nicht nur 84 Prozent unseres Spendenziels erreicht, sondern auch unser Team verstärkt: Feli unterstützt unsere Rechtsabteilung als studentische Hilfskraft, Why hilft als neue Bufdi tatkräftig mit und Michelle und Mattea verstärken unsere Öffentlichkeitsarbeit.
Der September war auch der Tag der Informationsfreiheit. Wie jedes Jahr gab es eine limitierte Kunstedition. Diesmal: die geschwärzte Version der Transparenz in Sachsen. Denn als wir nach der Akte zur Umsetzung des Transparenzgesetzes fragten, erhielten wir einen dicken Umschlag mit 168 bedruckten Seiten – fast vollständig geschwärzt. Das Einzige, was noch lesbar war, war unsere eigene Anfrage. Neue Stammspender erhalten als Dankeschön die „Sachsen“-Ausgabe.
Nicht nur die Transparenz ist in Sachsen schlecht, auch die Wahlergebnisse der letzten Landtagswahl machen uns große Sorgen. Antidemokratische Strömungen nehmen weiter zu und gehen mit Hass, Hetze und Drohungen einher. Zum Schutz unserer Mitarbeiter haben wir nun Maßnahmen ergriffen und sind Teil des Schutzkodex für Medienunternehmen.
Aber es passierte noch viel mehr. Unsere Recherchen haben eine Reihe skandalöser Enthüllungen zu Tage gefördert: von der absurden Steueroase in einer unauffälligen Holzhütte im Sachsenwald, die Unternehmen lukrative Steuervorteile sichert, bis hin zu den alarmierenden Zuständen im Berliner Gefängnissystem, in dem Patienten jahrelang isoliert werden . Wir haben uns auch mit dem Verfassungsschutz Sachsen auseinandergesetzt und es wurde klar: Aussagen des Verfassungsschutzes zum wohl größten Polizeikessel der Geschichte sind schlichtweg falsch. Schließlich wurde unser Chefredakteur Arne Semsrott wegen Pressefreiheit verurteilt, weil seiner Meinung nach der Paragraph 353d abgeschafft werden sollte – er verbietet die Veröffentlichung offizieller Dokumente aus laufenden Verfahren.
Ein Jahr voller Anfragen zu FragDenStaat
Bismarcks Hütte im Wald: Deutschlands absurdeste Steueroase
Wenn Sie auf der Suche nach Steueroasen sind, müssen Sie nicht bis nach Panama oder auf die Fidschi-Inseln reisen. Ein verstecktes Juwel liegt ganz in der Nähe im Sachsenwald im Norden Deutschlands. Graf Gregor von Bismarck, ein direkter Nachkomme des ersten deutschen Bundeskanzlers, mietet dort eine unscheinbare Holzhütte als Sitz zahlreicher Multimillionenkonzerne. Gemeinsam mit dem ZDF Magazine Royale und Jan Böhmermann haben wir der Hütte einen Besuch abgestattet.
Hier profitieren Unternehmen von einem besonders niedrigen Gewerbesteuersatz – und dann fließt das Geld nicht einmal in die Staatskasse, sondern direkt in die Taschen des Grafen. Da Graf von Bismarck sich weigerte, Auskunft darüber zu geben, wie viel Geld das war, blieb uns nichts anderes übrig, als ihn zu verklagen.
23 Unternehmen: Jetzt wird es langsam eng in der Hütte
Die Enthüllungen rund um die Hütte im Sachsenwald reißen nicht ab. Neuesten Untersuchungen zufolge sind dort mindestens 23 Unternehmen ansässig. Zu diesen Unternehmen zählen fünf Tochtergesellschaften des Hamburger Energieinvestors Luxcara, der als Projektpartner der Hamburger Energiewerke fungiert. Gemeinsam planen sie den Bau eines Wasserstoffkraftwerks, das vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz mit mehr als 150 Millionen Euro gefördert wird.
Das finden nun auch Politiker ziemlich seltsam: Zwei Linken-Politiker haben Strafanzeige gegen Graf von Bismarck und die in der Hütte registrierten Unternehmen gestellt. Verdacht: Steuerhinterziehung. Wir bleiben dran.
Leipziger Polizeikessel am Tag X: Die Lügen des Verfassungsschutzes
Wir haben den sächsischen Verfassungsschutz verklagt und zur Rede gestellt – und jetzt ist klar: Aussagen des Verfassungsschutzes zum wohl größten Polizeikessel der Geschichte sind falsch.
Am „Tag X“ in Leipzig wurden mehr als 1.300 Menschen in einem Polizeikessel festgehalten. Nach unserer Klage musste der sächsische Verfassungsschutz einräumen, dass rund 600 davon in der bundesweiten Datenbank des deutschen Verfassungsschutzes erfasst und gespeichert wurden. Tatsächlich landeten fast alle davon in der Datenbank. Darüber hinaus ist die Behauptung, die Staatsanwaltschaft habe die Daten an den Verfassungsschutz weitergegeben, falsch: Tatsächlich habe das Landeskriminalamt Sachsen die Daten aller straffälligen Gefangenen an alle Bundesämter weitergeleitet für den Verfassungsschutz.
Berliner Gefängnissystem: Jahrelang in Isolierzimmern eingesperrt
Überlastet, unhygienisch und unterbesetzt – so katastrophal sind die Zustände im Berliner Gefängniskrankenhaus. Unsere Recherche zeigt, dass Patienten dort seit Jahren isoliert leben, darunter eine Person seit mehr als sechs Jahren. Obwohl eine Isolation von mehr als 15 Tagen als unmenschlich gilt und der Berliner Gesundheitssenat dies seit Jahren weiß, bleibt er untätig. Trotz wiederholter Nachfrage hat sich der Senat nicht zu unseren Recherchen und dem Vorwurf geäußert. Deshalb haben wir einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin gestellt.
Nach unserer Veröffentlichung – und acht Tage nach Ablauf der geforderten Antwortfrist sowie mehrerer Mahnungen und Fragen – antwortete uns der Gesundheitssenat. Allerdings verweist er lediglich auf geltende Gesetze und darauf, dass es keine statistischen Auswertungen zur Isolation gebe. Da unsere Fragen nicht ausreichend beantwortet wurden, klagen wir weiterhin.
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Paragraph 353d: Arne Semsrott ließ sich wegen Pressefreiheit verurteilen
Arne Semsrott, Chefredakteur von FragDenStaat, wurde kürzlich wegen der Veröffentlichung offizieller Dokumente aus dem laufenden Strafverfahren gegen Last Generation verurteilt. Diese Entscheidung basiert auf § 353d, der die Veröffentlichung solcher Dokumente – unabhängig von ihrem öffentlichen Interesse – verbietet. Der Paragraf stammt nicht nur aus der Kaiserzeit, sondern gefährdet auch die Pressefreiheit und ist verfassungswidrig. Der Richter sah das anders: Nach zwei Verhandlungstagen mit vollem Publikum wurde Arne für schuldig befunden. Wir glauben, dass die Pressefreiheit Vorrang vor solch veralteten Gesetzen haben muss. Paragraph 353d schränkt nicht nur die journalistische Arbeit ein, sondern gefährdet auch die Glaubwürdigkeit der Medien in einer Zeit, in der Fake News immer beliebter werden. Es ist an der Zeit, § 353d abzuschaffen oder zumindest grundlegend zu reformieren. Deshalb wird es überarbeitet – bei Bedarf von allen Behörden.
Der Rechtsschutz ist tot – es lebe der Rechtsschutz!
Der Rechtsschutz feiert sein einjähriges Jubiläum und darauf kann man stolz sein: Wir konnten in über 80 Fällen Betroffene beraten, in 15 unterstützten Verfahren verteidigen und positive Gerichtsurteile erwirken. Davon profitieren wir jetzt alle.
Doch damit geben wir uns nicht zufrieden. Angesichts der aktuellen politischen Lage gehen wir noch einen Schritt weiter und erweitern unser Angebot. Wir unterstützen nun auch Menschen, die unter rechtswidrigen und diskriminierenden staatlichen Maßnahmen leiden. In diesem Sinne: Es lebe der Rechtsschutz!
Weitere Updates zu unseren Klagen finden Sie hier.
Einnahmen und Ausgaben
Bis September 2024 werden wir bereits 84 Prozent unseres Spendenziels erreicht haben! Ein großes Dankeschön an alle 2.200 Spender, die im dritten Quartal für uns gespendet haben! In diesem Quartal lag die durchschnittliche Spende bei 22 Euro, der Median bei 10 Euro. Wir begrüßen dieses Quartal 133 neue Stammspender – schön, dass Sie hier sind! Insgesamt belief sich die Spendensumme auf 166.061 Euro. Auch durch die Wiedereröffnung des Shops konnten wir 4.384 Euro einsammeln. Besonders hervorzuheben ist die im Juli eingegangene Förderung von Arcadia (einer gemeinnützigen Stiftung von Lisbet Rausing und Peter Baldwin) in Höhe von 370.000 Euro.
Der Personalaufwand im dritten Quartal beträgt 207.343 Euro. Hinzu kommen 15.734 Euro für unsere Freelancer. In diesem Quartal haben wir 8.969 Euro für Klagen und 3.763 Euro für Gebühren und Einsprüche bei Behörden ausgegeben. Zu den sonstigen Ausgaben in Höhe von 141.087 Euro zählen außerdem Reise- und Übernachtungskosten, aber auch Büromaterial, Merch-Bestellungen und Spendengebühren. Wir beenden das dritte Quartal daher mit einem Plus von 218.600 Euro.
Spendenfortschritt 2024
84 Prozent des Spendenziels 2024 erreicht
Für das Jahr 2024 benötigen wir zur Finanzierung unserer Arbeit insgesamt 480.000 Euro an Spenden. Um unser Jahresziel zu erreichen, benötigen wir durchschnittlich 40.000 Euro an Spenden pro Monat. Wie immer freuen wir uns über neue Daueraufträge, die uns nachhaltige Unterstützung und Sicherheit geben. Die IBAN von FragDenStaat lautet DE 36 4306 0967 1173 8932 00, Kontoinhaber ist die Open Knowledge Foundation Deutschland e.V. Bitte geben Sie als Verwendungszweck „FragDenStaat“ an. Damit kommen wir unserem Ziel immer näher, laufende Kosten zunehmend durch Spenden zu decken und so unabhängig von einzelnen Spendern agieren zu können.
Alle Transparenzberichte finden Sie hier.