Schuldig – das ist das Ergebnis des zweitägigen Prozesses gegen unseren Chefredakteur Arne Semsrott. Er wurde von der Staatsanwaltschaft angeklagt, weil er im August 2023 offizielle Dokumente aus einem laufenden Gerichtsverfahren gegen die Letzte Generation veröffentlicht und wissentlich gegen § 353d verstoßen hatte.
Warum das alles? Um zu zeigen, dass § 353d Nr. 3 verfassungswidrig ist – und daher abgeschafft werden sollte. Das Gesetz, das auf eine Zensurverordnung aus der Kaiserzeit zurückgeht, schränkt vor allem die Pressefreiheit ein. Und es ist verfassungsrechtlich geschützt.
Deshalb beantragten Arnes Verteidiger am ersten Verhandlungstag, das Verfahren auszusetzen und es direkt dem Bundesverfassungsgericht zur Überprüfung vorzulegen. Dieses Gericht könnte feststellen: § 353d Nr. 3 ist in seiner jetzigen Anwendung verfassungswidrig und muss daher reformiert werden. Alternativ forderten sie seinen Freispruch. Doch die Richter sahen das anders.
Strafgesetzbuch als Bedrohung der Pressefreiheit
Das Gericht erkannte in seinem Urteil an, dass § 353d Nr. Abs. 3 erfordert eine Einzelfallbetrachtung, die der Gesetzgeber bisher nicht vorgesehen hat, machte aber auch klar: Aus Sicht des Gerichts ist der Absatz nicht verfassungswidrig. Deshalb hat Arne ihn gewarnt. Allerdings muss er seine Geldstrafe von 1.000 Euro nur zahlen, wenn er innerhalb seiner einjährigen Bewährungszeit eine weitere Straftat begeht.
„353d Nr. 3 sollte abgeschafft werden. Faktenbasierter Journalismus darf nicht kriminalisiert werden. So wird das Strafgesetzbuch zur Gefahr für die Pressefreiheit. Gerade in Zeiten zunehmender Desinformation muss die korrekte Berichterstattung gestärkt werden. Wenn die Bundesregierung nicht handelt, machen wir weiter – bis zum Verfassungsgericht“, sagte Arne nach der Urteilsverkündung.
Sein Verteidiger Dr. Lukas Theune sagte: „Wir werden dem Verfassungsgericht zeigen, dass § 353d Nr. 3 gestrichen werden muss.“ Denn es hat vor allem einen Effekt: Die Medien scheuen die Berichterstattung über laufende Verfahren, wenn sie dafür bestraft werden. Diese Bedrohung der Pressefreiheit durch die Justiz ist einfach inakzeptabel.“
Demokratie braucht glaubwürdige Medien – und Originaldokumente
Er gab zu, dass Arne die Dokumente auf FragDenStaat veröffentlicht hatte (und Sie finden sie hier) – und erläuterte in seinem Eingeständnis, warum dieser Schritt so wichtig sei: Zu diesem Zeitpunkt gab es eine ausführliche öffentliche Diskussion über die letzte Generation, über die Bildungsvorwürfe u. a krimineller Vereinigung sowie Hausdurchsuchungen von Aktivisten, Beschlagnahmung von Vermögenswerten und Abhörung eines Pressetelefons. Allerdings war die Begründung dieser Schritte schwer nachvollziehbar, da kein Medienunternehmen die entsprechenden Beschlüsse der Staatsanwaltschaft aufgrund des Verbots im Paragraph 353d vollständig veröffentlichen konnte. Es war klar, dass insbesondere diese Dokumente für die laufende Debatte wichtig waren.
Ein Sachverständiger bestätigte am ersten Verhandlungstag zudem, dass die Einschränkung durch Paragraph 353d sogar eine Gefährdung der Demokratie darstelle. Der Kommunikationswissenschaftler machte deutlich: Die Öffentlichkeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Demokratie und hat eine wichtige Kontrollfunktion, insbesondere für die Justiz. Deshalb müssen Gerichtsverfahren, auch laufende, möglichst transparent sein. Es ist wichtig, dass Journalisten direkt zitieren und nicht nur paraphrasieren dürfen. Es erhöht nicht nur die Glaubwürdigkeit in den Medien – was in Zeiten zunehmender Desinformation und Fake News umso wichtiger ist – sondern zeigt auch den genauen Wortlaut, beispielsweise wie bei Durchsuchungsbefehlen. Dies ist besonders wichtig in Fällen, die politisch motiviert sein könnten. Alles starke Anzeichen dafür, dass der Paragraf 353d die Pressefreiheit und damit auch unsere Demokratie gefährdet.
Auf dem Weg zum Bundesgerichtshof – oder nach Straßburg
Und weil wir diese Aussage schwarz auf weiß haben wollen, lehnte Arne auch die vom Richter angebotene Einstellung des Verfahrens ab. Da wir in diesem Fall keine Straflosigkeit wollen, wollen wir, dass der gesamte Absatz gestrichen wird. Deshalb wurde unser Chefredakteur heute wegen Pressefreiheit verurteilt und geht vor das nächste Gericht. Es liegt nun am Bundesgerichtshof, festzustellen, dass § 353d in seiner jetzigen Fassung vor allem korrekt arbeitende Journalisten kriminalisiert und daher verfassungswidrig ist. Und wenn nötig, geht es noch über weitere Instanzen: zum Bundesverfassungsgericht oder zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg – bis es schließlich heißt: Auf Wiedersehen 353d!
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