Das Berliner Justizvollzugskrankenhaus (KMV) soll eine Person mehr als drei Jahre und eine andere mehr als fünf Jahre in Isolierzimmern festgehalten haben. In dieser Zeit sollen sie keinen Kontakt zu anderen Patienten gehabt haben, sondern nur zum Pflegepersonal. Einmal am Tag dürfen sie für eine Stunde auf den Hof gehen, ihre Hände und Füße sind jedoch mit Handschellen gefesselt.
Das bestätigen uns und unserem Recherchepartner bei der Tageszeitung (taz) mehrere Quellen. Unter anderem äußerte sich der frühere Leiter des Strafvollzugs, Sven Reiners, in einem von der taz veröffentlichten Interview zu den Jahren der Isolation. Der Berliner Gesundheitssenat, die Aufsichtsbehörde für den Maßnahmenvollzug, verweigert jedoch jegliche Auskunft. Dagegen klagen wir, weil der Senat nach dem Berliner Pressegesetz dazu verpflichtet ist.
Im Rahmen dieser Forschung veröffentlichen wir erstmals auch ein Protokoll des Landesamtes für Gesundheit. Es gibt Fotos, die die miserablen Zustände im Berliner Gefängnissystem zeigen.
Protokoll des Landesamtes für Gesundheit
Zuständig sind Krankenhaus, Gesundheitssenat und Gerichte
Der Strafvollzug stellt eine Besonderheit des deutschen Strafrechts dar: Wer eine Tat wegen einer psychischen Erkrankung oder unter Drogeneinfluss begeht, soll nicht bestraft werden, sondern Hilfe erhalten. Deshalb werden diese Täter in eine psychiatrische Klinik eingewiesen, die wie ein Gefängnis gesichert ist.
Dort ist es üblich, Patienten zu isolieren, wenn sie sich selbst oder andere gefährden. Allerdings sollte die Isolation so kurz wie möglich sein. Gemäß den Mindeststandards der Vereinten Nationen (UN) für die Behandlung von Gefangenen sollten Menschen nicht länger als 15 aufeinanderfolgende Tage isoliert werden. Im Berliner Justizvollzug verstarb 2024 ein Patient im Isolierzimmer, wo er eigentlich rund um die Uhr überwacht werden sollte.
In einem solchen Isolierzimmer im KMV gibt es außer einem Bett und einem Badezimmer nichts. Wer ein Buch lesen oder Radio hören möchte, muss beim Pflegepersonal nachfragen. „Es ist eine unmenschliche Behandlung, jemanden jahrelang unter solch minimalistischen Bedingungen von anderen zu isolieren“, sagt Sven-Uwe Burkhardt, Anwalt für Menschenrechtsschutz. Er hält es für unzulässig und rechtswidrig, dass Menschen jahrelang in der Justizvollzugsanstalt Krankenhaus (KMV) isoliert werden. Er sieht die KMV und den Gesundheitssenat in der Pflicht, dem ein Ende zu setzen. Burkhardt sieht auch die Gerichte in der Verantwortung. Anders als im Strafvollzug ist die Dauer der Freiheitsstrafe im Strafvollzug nicht festgelegt. Einmal im Jahr prüfen Gerichte, ob die Täter freigelassen werden können.
Die Nationale Stelle zur Verhütung von Folter in Deutschland befasst sich in ihrem diesjährigen Bericht mit Defiziten bei der Durchsetzung von Maßnahmen. Zur Isolation von Patienten heißt es: „Es bestehen erhebliche Zweifel, ob eine Isolation über mehrere Wochen oder Monate verhältnismäßig sein kann.“ In allen deutschen Bundesländern sei eine „problematisch hohe Zahl“ an Isolationen festgestellt worden. In Nordrhein-Westfalen sei ein Patient „seit über zehn Jahren 24 Stunden am Tag in seinem Zimmer isoliert“.
Berliner Gesundheitssenat schweigt
Der Berliner Gesundheitssenat hat sich trotz mehrfacher Nachfrage nicht zu unseren Recherchen und dem Vorwurf der seit mehreren Jahren erfolgten Isolation von Patienten im Gefängnis geäußert. Datenschutz und „grundsätzliche Erwägungen“ würden einer Antwort entgegenstehen, so der Senat. Was das genau bedeutete, ließ die Behörde offen. Auf weitere Anfragen reagierte der Gesundheitssenat nicht. Allerdings ist der Senat, wie alle Behörden, durch das Pressegesetz zur Auskunft verpflichtet. Wir haben daher einen Eilantrag beim Verwaltungsgericht Berlin gestellt.
Die Zustände im Gefängniskrankenhaus dürften dem Senat längst bekannt sein. Bereits 2021 hat die Besuchskommission, die prüfen soll, ob Berliner Psychiatrien die Menschenrechte einhalten, dem Gesundheitssenat einen Bericht vorgelegt, den wir kürzlich veröffentlicht haben. Darin ist von zwei Patienten die Rede, die zu diesem Zeitpunkt bereits seit Monaten in den Isolierzimmern untergebracht waren. Wir hätten gerne gewusst, welche Schlussfolgerungen der Senat aus diesen Informationen gezogen hat. Aber auch auf diese Frage bekommen wir keine Antwort.
Bericht der Besuchskommission
„Hygienisch katastrophaler Zustand“
Nicht nur der Umgang mit der Isolation wirft Fragen auf, wie human die KMV mit ihren Patienten umgeht. Neue Protokolle, die FragDenStaat veröffentlicht hat, zeigen, dass auch die baulichen und hygienischen Bedingungen miserabel sind. Das Landesamt für Gesundheit besucht seit 2022 jedes Jahr das Gefängniskrankenhaus. Fotos finden sich im Besuchsprotokoll. Sie zeigen: Ein Teil der Decke ist aufgebrochen und dahinter ragen Kabel heraus. Kot und Toilettenpapier haften an Wänden. In dem Dokument heißt es, dass es sich bei dem Badezimmer um einen Durchgangsraum handelt, der nicht abgeschlossen werden kann. Ein weiteres Badezimmer wurde überflutet. Aufgrund eines Wasserschadens kann ein Isolierraum nicht genutzt werden. Im März 2024 schrieben die Behördenmitarbeiter in dem Dokument: „Hygienisch katastrophaler Zustand“. Dem Protokoll zufolge soll auch der Berliner Senat informiert werden, da „dringender Handlungsbedarf“ bestehe.
Protokoll des Landesamtes für Gesundheit
Update 10. September, 14:30 Uhr: Nach unserer Veröffentlichung – und acht Tage nach Ablauf der geforderten Antwortfrist sowie mehrerer Mahnungen und Fragen – hat uns der Gesundheitssenat eine Antwort auf unsere Presseanfrage geschickt. Aber damit antwortet er uns nicht am wichtigsten Fragen, bezieht sich aber im Allgemeinen auf geltende Gesetze und die Tatsache, dass es keine statistische Analyse zur Isolation gibt. Da unsere Fragen nicht ausreichend beantwortet wurden, klagen wir weiterhin.
→ für alle Anfragen zum Maßnahmenvollzug
→ für bisherige Recherchen zum Berliner Gefängnissystem
→ zum Interview in der taz