Der Chefredakteur von FragDenStaat wird am 16. Oktober vor Gericht stehen


Weil er Gerichtsbeschlüsse zu Durchsuchungen von Angehörigen der „Letzten Generation“ veröffentlichte, muss sich Arne Semsrott, Chefredakteur der Transparenz- und Rechercheplattform FragDenStaat, am 16. Oktober vor dem Landgericht Berlin I verantworten. Semsrott hat mit seinen Veröffentlichungen möglicherweise gegen § 353d Nr. 3 StGB verstoßen. Dieses verbietet das wörtliche Zitieren aus amtlichen Dokumenten aus laufenden Strafverfahren. Semsrott ist das Risiko einer Anklage bewusst eingegangen, um darzulegen, dass der Paragraf verfassungswidrig ist, die Pressefreiheit einschränkt und deshalb aus dem Strafgesetzbuch gestrichen werden muss. Im Falle einer Verurteilung droht Semsrott eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) unterstützt ihn dabei.

„§ 353d ist verfassungswidrig. Das Veröffentlichungsverbot schränkt die freie Presse ein. Es kann nicht richtig sein, dass Journalisten, die auf der Grundlage von Fakten arbeiten, dafür strafrechtlich verfolgt werden. Presseverbände setzen sich seit vielen Jahren für die Abschaffung des Paragraphen ein. Wenn die Politik nicht handelt, muss gegebenenfalls das Bundesverfassungsgericht eingreifen“, kommentiert Semsrott.

Eigentlich soll das Strafrecht dafür sorgen, dass die Befangenheit der Verfahrensbeteiligten, etwa der Zeugen, gewahrt bleibt und die Persönlichkeitsrechte gewahrt bleiben. Aber: Mit dem Veröffentlichungsverbot schränkt der Gesetzgeber die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit pauschal ein, ohne dass Gerichte prüfen müssen, ob im Einzelfall die Gefahr einer Beeinträchtigung der Unbefangenheit der Verfahrensbeteiligten besteht oder ob diese abwägen können Persönlichkeitsrechte gegen das öffentliche Interesse an der Berichterstattung aufbringen. Der Paragraf verhindert somit immer wieder die Berichterstattung der Medien über laufende Strafverfahren und behindert damit die öffentliche Meinungsbildung. „Absolute Veröffentlichungsverbote wie in Paragraph 353d verstoßen gegen die Pressefreiheit. Auch einzelne Zitate aus Strafakten können in einem Strafverfahren gegen die Journalisten enden. „Es atmet den Geist von vorgestern“, kritisiert Benjamin Lück, Rechtsanwalt bei der GFF.

Im konkreten Fall veröffentlichte Semsrott am 23. August 2023 im Rahmen seiner Berichterstattung drei Entscheidungen zu Durchsuchungen und Abhörungen eines Pressetelefons im Zusammenhang mit der „Letzten Generation“ auf FragDenStaat.de.

Das Verfahren ist öffentlich und wird am 16. und 18. Oktober 2024 um 9:30 Uhr im Landgericht Berlin I, Saal 820, 3. OG, Turmstraße 91, 10559 Berlin, verhandelt.

Mehr zum Fall:

→ Landgericht München zu Durchsuchungen und Telefonüberwachung: Hier sind die Gerichtsurteile zur „Letzten Generation“

→ Strafverfahren: Staatsanwaltschaft ermittelt gegen FragDenStaat-Chefredakteur

→ Überfällige Reform: Für die Pressefreiheit muss sich das Strafrecht ändern

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